Arú

Sonntag, 24. August 2008

...

Man träumt nicht, wenn man im Sterben liegt.

Ich erwache mit den ersten Kopfschmerzen, die ich jemals im Leben hatte und erinnere mich nur an absolute Schwärze. Jedenfalls denke ich, dass dies Kopfschmerzen sind. Ich habe keine Ahnung, ob dies tatsächlich Kopfschmerzen sind, oder ob ein Metallteil meine Schädeldecke irgendwo perforiert hat. Immerhin finde ich das bald heraus, sobald sich die verschwommene Sicht, die sich mir gerade bietet aufklärt und meine Arme und Beine sich nicht mehr anfühlen als...als...hach, ich habe keine Ahnung, wie ich diese Schmerzgefühle beschreiben soll.
Ich habe zwar schon davon gehört, dass die Nanoheiler bei schwereren Verletzungen Probleme hatte, mit entsprechender verstärkter Beta3blockernproduktion mitzuhalten, aber dass sich dies so unangenehm anfühlt, konnte ich mir bei bestem Willen nicht vorstellen.
Zumindest habe ich jetzt Zeit, in all dem Rauch und dem beißenden Gestank nach Eisen in der Luft mehr über dieses Gefühl "Schmerz" nachzudenken, da meine gesamte Welt nicht mehr aus SpaceWeb, dem Earth2-Modul oder dem einlullenden Gebrabbel aus WorldCommLink besteht, sondern nur noch aus diesem neuen Gefühl, das seine Heimat auf dem Höllenplaneten Dante zu haben scheint.
Ich muss mich übergeben.
Verdammte Scheiße, wie kann man sich denn erstens bitte übergeben und wie kann es sich zweitens bitte verfickt so anfühlen, als würde man seine Lunge mitkotzen und jemand würde dir einen glühenden Alloyniumstab ins Gehirn rammen?! Diese verdammten Nanoheiler sollen sich beeilen. Welcher Noob hat diese Motherfucker programmiert?!
"K..."
Soweit komme ich, bevor ich mich noch einmal übergeben muss. Diesmal kommt neben Erbrochenem auch noch irgendwas Rotes mit raus.
Verdammte Scheiße.
Das ständige flackern des Lichts hilft meinen Kopfschmerzen nicht gerade. "Ewige Flamme" my ass, wie die Amis sagen würden. Wie zur Hölle kann das "Ewige Licht" ausfallen?! Ich kann mich doch unmöglich außerhalb der Reichweite des Energienetzes befinden...das kann doch nicht wahr sein.
Zweiter Versuch.
"KI"; na bitte, das ging schon mal. "KI, funktionierst du noch?" frage ich mit krächzender Stimme und Blutgeschmack im Mund. Verdammter Gott, wieso tun mir sogar meine Stimmbänder weh?
Keine Antwort. Nicht einmal ein statisches Rauschen oder gebrochene Worte.
"WorldCommLink!" bringe ich hervor und versuche meinen Arm zu bewegen. Meine Sicht klärt sich langsam auf und ich kann zumindest erkennen, dass kein Feuer in meiner unmittelbaren Umgebung brennt. Die Zeitschlaffkapsel ist auch nicht allzusehr beschädigt. Gut, die Glassalloy-Abdeckung hat es heruntergerissen und diese liegt nun zerschmettert vor mir auf dem Boden. Wenn ich nicht angeschnallt gewesen wäre, würde ich wohl mit ihr auf dem Boden liegen...zerdrückt, zerquetscht, zermamlt...die Nanoheiler hätten echt eine schwere Zeit gehabt, mich hier wieder zusammenzuflicken...
"WorldCommLink du Hurensohn!"
Entschuldigen Sie bitte meine Sprache. Aber mich nervt es nur leicht, dass dieses beschissene Wunderwerk der Weltraumtechnik es fertig bringt, auseinanderzubrechen, irgendwo abzustürzen, dass fast sämtliche sicheren Funktionen komplett ausgefallen sind und dass meine Nanoheiler von einem Herr der Ringe Troll programmiert worden zu sein schienen! Mich nerven diese gottverdammten Schmerzen, mich nervt dieser Rauchgeruch, mich nervt das ewige Flackern der ewige-deine Mutter-Flamme, mich nervt dieser beschissene Geruch von Eisen in der Luft mich...
Oh mein Gott. Rote Flüssigkeit überall. Ist ... kann das...Blut?
What the fuck?!
Was zur Hölle ist hier nur los...wo bin ich gelandet, was zur Hölle ist passiert, what the fuck is going on?! Mein rechtes Bein ist...ist...aufgerissen. Was zum großen Gott...wie zur Hölle kann die Epithelbewehrung versagen...wie zur Hölle können meine Scheißgene versagen, das kann doch nicht sein! Es kann doch niemand hergekommen sein und mich hier genetisch...oder passierte dies noch im SpaceWeb?
Nein, keine Spekulationen nun...irgendwie hat die Epithelbewehrung versagt...irgendwie haben die Nanoheiler es noch nicht repariert...es kann unmöglich sein, dass meine Gene versagt haben. Das kann nicht sein.
Kommt der Geruch von Eisen in der Luft in Wirklichkeit vom Blut? Wie riecht Blut?
Zumindest weiß ich nun, dass es tatsächlich rot ist. Ist immerhin auch etwas...in unserer Welt sieht man sowas ja kaum.
"KI! WorldCommLink! E2! SpaceWeb! Irgendjemand?!" schreie ich noch einmal unter weiteren Schmerzen und bekomme noch immer keine Antwort.
Damit ist es wohl klar...ich bin außerhalb des Energienetzes auf irgendeinem abgelegenen Stein gelandet und muss sehen, wie ich mir selbst helfen kann.
Nur gut, dass ich keinen Zugriff auf Onlinekurse der Selbsthilfe habe. Ich mein, das hätte mir etwas nützen können in dieser Situation! Aber man will es ja nicht einfach haben, oder?
Verdammte motherfucking Scheiße!

Donnerstag, 19. April 2007

Kénpo

Kénpo haschte durch das kleine, gemütliche Zimmer und beobachtete kundigen Blickes die rasch wechselnden, von ungemütlichen und die Seele peinigenden Träumen Kunde vermittelnden Augenbewegungen des unerwartete Besuchers, den Pacal zuvor am Rande des fliegenden Kontinentes ankommen sah, und der nun mit Schweißperlen der Angst und Nervosität, ach!, so gepeinigt wurde durch das Erblicken der Verzerrung.
Die Unruhe in Kénpo steigerte sich von Stunde zu Stunde da der unverhoffte Besuch vom Rest der Welt nicht erwachte. Mal ging er in die eine Ecke des Zimmers, schritt dann großer Dinge zu dem anderen Ende, legte die Hand auf die Stirn als wolle er in Ohnmacht fallen und seufzte herzergreifend hierbei, weinte Träne der Verzweiflung und stieß an Flüche erinnernde, in einer dem Erzähler unbekannten Sprachen verfasste Stoßgebete zur Genesung des neuronalen Fiebers von Sharem aus.
Als die Nacht hereinbrach, vernahm Kénpo ein zaghaftes Seufzen und eilte zu dem Bette, auf dem Sharem gelegen ward. Ihm dünkte Böses, da er im Innersten fürchtete, Sharem könne von bösen Geistern besessen sein, obwohl Pacal ihm versichert hatte, dass er nicht besessen sei, sondern nur einen Schock erlitten habe.
"Wo befinde ich mich?" fragte Sharem, im Bette liegend.
"Hier, trink dies zuerst und schone deine Kräfte bei Gott!" entfuhr es Kénpo, der dem Besucher hastig einen Krug Wasser reichte und genüsslich dabei zusah, wie dieser ihn begierig in wenigen Schlucken leerte.
"Danke" keuchte er mit noch feuchten Lippen, als er Kénpo den Krug erneut überreichte und sich ihm Bett aufsetzte. Sharem sah sich gierig um, schien jedes Element des Raumes aufsaugen zu wollen und wurde rasch enttäuscht von der Kahlheit der Wände, der Leere des Raums, die schließlich eine gewisse Leere in seinem Herzen erzeugte.
"Wohin habt ihr mich gebracht?" erkundigte er sich erneut bei seinem Pfleger Kénpo, der ihn darauf hinwies, dies sei ein Ruhezimmer.
"Deshalb kaum Einrichtung?" bohrte Sharem nach und Kénpo nickte und erklärte ihm, jedes Objekt sei eine Ablenkung für die geistige Ruhe einer Person nach einem Schock, jedes müsse zuerst mit den Augen gesehen, dann mit dem Gehirn erfasst, nun schließlich analysiert werden, in einem Kontext zu älteren Erinnerungen gebracht werden, diese würde nun ein Erkennen des Gegenstandes endlich ermöglich, der jedoch noch mit Zusatzattributen wie gut, schlecht, heiß oder kalt verknüpft sein kann, die daraufhin ebenfalls zu Tage treten in den endlose Windungen des Grand Canyon Großhirn, schließlich in einem Kontext zu anderen Objekten im Raum die zuvor ebenso analysiert wurden gebracht werden um daraus dann schlussendlich richtig erkannt, geordnet und verstanden zu werden.
Dies könne man einem kranken Menschen nur in bestimmten Maße zumuten.
"Krank?" erkundigte sich Sharem, der von einer gewissen Ehrfurcht gegenüber der unbewussten Meisterleistung seiner inneren Systeme überrascht dasaß.
"Sonst hätte dich Pacal nicht in den Ruheraum gebracht" erwiderte Kénpo.
"In Arú?" fragte Sharem, um sich zu vergewissern, am selben Ort seiner ehemaligen Ohnmacht beim Anblick eines ihm unverständlichen und unbekannten Kreisgebildes am Himmel gewahr worden zu sein, dass es Dinge gibt, die seinen Horizont weit überschreiten - er hatte sich doch bis jetzt so wissenschaftlich bewandert und in den Künsten der Physik so bewandert gesehen! Oh armer, gepeinigter Sharem! Verzweifle nicht! Manches Rätsel wird bald gelüftet werden!

Dienstag, 13. März 2007

Arú

Für weitere 20 Minuten waren Sharem und Pacal schweigend weiter durch Graslandschaften geschlendert, die für Sharem alle gleich aussahen. Je länder er darüber nachdachte, kam in Sharem die Vermutung auf, dass Pacal ihn im Kreis führte. Was er wohl zu verbergen hatte? Sharem konnte sich keinen Reim darauf machen und wollte derzeit nicht weiter darüber nachdenken, da er sich nicht wirklich sicher war, ob sie im Kreis liefen.
Nach einigen weiteren Minuten wurde es Sharem zu bunt und er wollte das Schweigen brechen und irgendwas sagen. Pacal interessierte seine Herkunft ja nicht, da alles außer diesem fliegenden Stück Erde laut ihm sowieso bloß eine Illusion sei. Alle Frage die Sharem über Pacal und diesen Ort hier hatte wurde vorher immer mit „Du wirst bald sehen, Illusion“ abgetan, also schnappte sich Sharem verzweifelt das letzte Thema, auch wenn dieses nicht sehr einfallsreich war.
„Schönes Wetter“ sagte er.
Überhaupt nicht einfallsreich, wenn die Wolken unter einem sind und es somit nie regenen kann.
Pacal beeindruckte dieses Kommentar scheinbar nicht, da er einfach wortlos weiterging.
Sharem folgte ihm weiterhin durch das Gras schlurfend, bis er auf einmal einen leisen Ton vernahm. Er hob seinen Kopf etwas an und spitze die Ohren und musste gebannt hinhören. Er bildete es sich gewiss nicht ein, von irgendwoher kam ein Ton. Und je weiter Sharem Pacal folgte, desto lauter und definierter wurde dieser Ton, nein, die Serie von Tönen nun.
di du di dum machte es konstant, unterbrochen von etwas, das klang wie krrrrrrrrrrrrrr.
Und gerade noch, als Sharem den Horizont absuchte um die Quelle dieser komischen Geräusche zu finden, seien es Musiker aus dem Dorf Arú oder Hirtejungen die in eines der zahlreichen Gräserchen bliesen um so Geräusche zu erzeugen, gerade als er sich konzentrierte, seine Augen über das endlose grüne Pflanzenmeer um ihn herum schweifen ließ und er versucht die blendende Sonne zu ignorieren, gerade in diesem Augenblick tat er einen weiteren Schritt auf den bereits ungeduldig wartenden Pacal zu und sein suchender Blick wurde abgelenkt von einem enormen Schatten, der von einer Sekunde auf die andere auf Sharem fiel.
Und nun war es genauer da.
di du di dum; krrrrrrrrrrrrrr, di du di dum, krrrrrrrrrrrrrr, di du di dum, krrrrrrrrrrrrrr, di du di dum, krrrrrrrrrrrrrr und immer so weiter.
Und nicht nur diese vier Töne, die sich ständig wiederholten und unterbrochen wurden von einem seltsamen, kratzenden Geräusch, waren da, nein, Sharem sah empor und sah vor sich eines der größten Hochhäuser, das er je gesehen hatte. Links von sich noch eins, rechts noch mehr, sogar hinter ihm waren sie nun. Hinfort war die Wiesenlandschaft und Pacal und Sharem fanden sich in einem Wirrwarr aus kleinen Gassen, gebildet von enorm hohen, metallenen Gebäuden wieder, durch deren Straßen geschäftigt Leute huschten. Die Sonne hatte keine Chance mehr, durch diesen Zivilisationsdschungel zu dringen.
„Wir sind da und Klangfarbe wurde erreicht, Drachenmann“ sagte Pacal und deutete Sharem ihm zu folgen, doch dieser stand wie angewurzelt einfach nur da und starrte um sich.
„Entschuldige bitte, solltest du verwirrt sein“ begann Pacal, „Dennoch: Willkommen in Arú“
„...“ sagte Sharem und fixiete mit seinen Augen die Umgebung.
Wo war die Graslandschaft hin?!
Wo waren diese Hochhäuser noch vor einer Sekunde?!
Wo war Sharem?!
„Komm mit, Drachenmann. Du brauchst keine Angst haben, es wird dir nichts geschehen.“ richtete Pacal sich an ihn und nahm vorsichtig seine Hand, die nicht durch Sharems Hand glitt, sondern sich vertraut warm anfühlte. „Komm“ wiederholte er noch einmal und zog ihn durch das Gewirr der Gassen.
Sharem ging vorbei an vielen weiteren engen Gassen und Pacal umrundete vor ihm geschickt Menschenmassen, die Sharem und Pacal garnicht zu beachten schienen.
Als sie um eine Gasse bogen, traute Sharem seinen Augen nicht. Sie mussten hier wohl in einem neuen, älteren Viertel angekommen sein, da die Gebäude nun aus Stein und Holz errichtet worden waren. Zwar noch robust und stabil, dennoch kein Vergleich zu den Hochhäusern aus dem vorigen Viertel.
Sharem sah eine Art Kirche oder Tempel in einigen hundert Meter Entfernung, außerdem einen Brunnen und wenige Menschen auf der Straße.
Dafür hörte er noch immer di du di dum, krrrrrrrrrrrrrr, di du di dum, krrrrrrrrrrrrrr das von überall und nirgends zu kommen schien. Es war nicht so laut, dass es stören würde, doch man hörte es.
Was Sharem jedoch viel mehr störte war, als er sich umdrehte und die Hochhäuser nicht mehr da waren, sondern Stein und Holz – Häuser ihren Platz dort beanspruchten, wo eigentlich Hochhäuser und noch viel eher Grünland hätte sein sollen.
Und dort am Himmel war noch ES.
Ein gigantischer Kreis aus ???
Sharem hatte absolut keine Ahnung, was da im Himmel über Arú zu sehen war. Es schien schwarz und rot zu flimmern, war annähernd kreisförmig und die Luft um das Gebilde herum wirkte verzerrt. Ein Turm stand genau unter diesem großen Kreis „???“, jedoch sah dieser aus wie als hätte Barok mit Neuzeit ein Kind gezeugt und es von Gotik aufziehen lassen.
All dies wurde Sharem zuviel, was auch Pacal bemerkte, als er auf ihn herabsah und schließlich seinen Schritt begutachtete.
„Du brauchst wohl neue Hosen, Drachenmann“ sagte Pacal leise seufzend.

Sonntag, 11. März 2007

Bitten um Klangfarbe

Sharem spürte langsam seine Knie nass werden.
Er kniete mit Pacal in leicht feuchtem Gras, was Sharem etwas verwunderte, da sich dieser schwebende Kontinent über den Wolken befand und es hier eigentlich nicht regnen dürfte. Entweder hatten die Bewohner das Gras hier bewässert, wozu auch immer, oder es gab eine andere Erklärung für die Feuchte. Was Sharem jedoch mehr interessierte war, wann sie endlich aufstehen und weitergehen konnten. Sie knieten nun schon seit geschätzten 20 Minuten im sattgrünen Gras, Pacal etwas rechts vorne vor Sharem, scheinbar in tiefer Meditation versunken. Bevor er plötzlich auf den Boden gefallen war, hatte Pacal gemeint „Wir müssen um Klangfarbe für dich beten, Drachenmann“ und war seitdem schweigsam auf dem Boden verharrt, in leicht gebeugter und knieender Stellung.
Für Klangfarbe beten. Obwohl dies äußerst merkwürdig klang, wunderte es Sharem nicht mehr, da ihn Pacal nicht einmal seiner Existenz würdigte und ihn als bloße Illusion abtat. Aber war nicht gerade Pacal es, durch den ein massiver und fester Stein hindurchflog, so, als wäre Pacal garnicht da? War Sharem von einer Illusion als Illusion beschimpft worden, die mit der Realität nichts anfangen konnte? Oder war Sharem selbst die Illusion und wusste es bis jetzt nicht und alles, was für ihn Realität war, jedes physikalische, chemische und biologische Gesetz, welches er kannt, war für die reale Welt ein bloßer Witz und unecht? Es schauderte Sharem daran zu denken und er fürchtete verheerende Antworten auf diesem fliegenden Kontinent zu entdecken, aber zurück konnte er nicht mehr...sie würden warten auf ihn. Und wenn sie ihn erwischen damit, dann...ach, lieber nicht daran denken. Sonst kommt es vielleicht noch zu einem Verrat von
„Wir sind fertig“ wurde Sharems Gedankengang unterbrochen.
„Huh?“ brachte dieser hervor und sah Pacal in voller Statur vor sich stehen, der die Sonne hinter sich hatte und dessen Kopf dadurch von hinten beleuchtet war, wie der eines Gottes auf den alten antiken Bildern in Museen.
„Ich habe gesagt, dass wir fertig sind, Drachenmann. Das Erscheinen wurde akzeptiert, der Gleichklang wurde hergestellt. Wir werden Klangfarbe haben.“ führte Pacal nun etwas genauer aus.
„Ich verstehe nicht“ antwortete ihm Sharem mit fragendem Blick, als er sich aufrichtete und sich umsah. Ringsherum waren noch immer bloß Wiesenfelder zu sehen, weit und Breit kein Dorf zu sehen von dem Pacal gesprochen hatte. Hatte Pacal einen Knall oder konnte die Illusion Sharem die Realität nicht wahrnehmen? Nein. Pacal musste einen Knall haben, Sharem war sich zu 100% sicher, dass er real war. Er konnte über sich selbst reflektieren, auch wenn dies im Moment nur daraus bestand, dass er genau wusste, dass er absolut nichts von diesem Ort wusste und um seine Existenz Angst hatte. Und hey, wenn man um seine Existenz Angst hat, dann muss diese doch da sein! Sonst könnte man ja nicht Angst haben um sie. Ich fürchte mich, also bin ich. Sehr gut.
„Nur wenige Illusionen verstehen es“ antwortete Pacal und winkte zu Sharem, „Komm weiter Drachenmann, wir sind bald in Arú. Dort können wir Tauschgeschäfte tätigen.“
„Ich sehe aber nichts am Horizont. Ist es noch weit?“ erkundigte sich Sharem.
„Nein, dort.“ deutete Pacal in eine Richtung, in der am Horizont genau nichts zu sehen war.
„Dort ist nichts“ spezifizierte Sharem seine Gedanken genauer.
Pacal lächelte in verständnisvoll an.
„Wenn du in den Klangbereich kommst, wirst du es sehen. Du wurdest von der Welle bereits akzeptiert, wie ich es dir gesagt habe. Deine Klangfarbe wird mit Arú harmonieren und du wirst sehen und in die reale Welt eintauchen können, Illusion. Komm nun mit, der Klangbereich ist nicht mehr fern“ deutete Pacal zu ihm und lächelte noch immer freundlich dabei.
Sharem folgte Pacal höchst verwirrt und dachte bereits darüber nach, wie weit es wohl wäre zum Flugschiff zurückzulaufen und sich lieber abschießen zu lassen, als in diesem seltsamen Land eventuell gefangen zu sein.
Oder erkennen zu müssen, dass man nie existiert hat...

Mittwoch, 21. Februar 2007

Illusionen

Das Dorf Arú war schon seit Generationen als Ort des Handels bekannt.
Das es sich durch den steten Strom an Besuchern und den großen Warenwechsel innerhalb von Arú trotzdem nicht in eine größere Stadt entwickeln konnte, lag an der ungewöhnlichen Lage Arús.
Arú war umgeben vom Himmelsmeer und war auf einem Kontinent gegründet worden, der mehrere Kilometer über dem Boden schwebte. Wieviele Kilometer genau wusste niemand der in Arú wohnte und die Besucher, die Weltstopillusionen, schwiegen sich über diese Tatsache aus. Diese Tatsache störte die Bewohner von Arú nicht. Sicher war, dass man von hier aus den Boden nicht sehen konnte. Soweit das Auge reichte sah man unter Arú ein scheinbar endloses Wolkenmeer und richtete man seinen Blick gen Himmel sah man langsam ins Schwarze übergehende Blau. Dies war der Anblick unter Tage. In der Nacht konnte man bis weit in das Weltmeer sehen und viele Sterne erkennen, da die Sicht nicht von Wolken blockiert werden konnte.
Sehr viel bewegen konnten sich die Menschen auf ihrem schwebendem Kontinent Coatlicue nicht, da dieser einen maximalen Durchmesser von 48 Kilometern aufwies. Der minimale Durchmesser dieses ungleichförmig geformten, schwebenden Stück Lands belief sich auf 15 km.
In einer Entfernung von nur 2 Kilometer zu Arú lag der Ankunftspunkt der Besucher aus Weltstop, wie die Bewohner von Arú den ihnen unbekannten Ort unterhalb der Wolkendecke, aus dem die Händler nach Arú kamen, nannten.
Heute, an diesem makellos sonnigen Huizilopochtlitag, peitschten mittelstarke Windwellen über die Wiesen- und Graslandschaften rings um die Landebahn für die aus Weltstop ankommenden Fahrzeuge.
Ein gerade landender, glänzender Drache musste gegen den Wind ankämpfen. Die spiegelglatte Oberfläche des Drachen reflektierte die Sonnenstrahlen mannigfaltig und zersplitterte hier und da das Sonnenlicht in das Farbspektrum. Kleinere Feuersäulen, die mit lautem Zischen abwechselnd aus Öffnungen des Drachen abgegeben wurde, drückten ihn gegen den Wind in die gewünschte Position und hinterließen bei der in der Nähe stehenden Person ein warmes Kribbeln auf dem bloßen Oberkörper.
Die Person, die den landenden Drachen beobachtete, wusste genau, dass dies nicht ein wirklicher Drache war. Kein Drache hatte solch glänzende Schuppen, keiner konnte Feuer aus mehreren Körperöffnungen ausstoßen und keiner von ihnen war so seltsam gewachsen, wie dieser hier.
Drache oder nicht.
Es war von Weltstop nach Coatlicue gekrochen, dabei durch die Erdwinde gewatet und enthielt in seinem Bauch Gegenstände und Wohlstand, die es mithilfe von Illusionen nach Arú brachte.
Als der gerade landende Drache aufsetzte und alle Organe abgeschaltet hatte, ging der wartende Mann zielstrebig auf den Drachen zu und wartete in seiner Nähe, bis sich dessen Bauch öffnen würde. Er fuhr sich mit einem leicht feuchten Tuch über seine Glatze, von der langsam Schweißperlen gen Nacken kullerten.
Schließlich öffnete sich der Bauch des Drachen und gab einen Mann frei, der trotz der Hitze des heutigen Tages einen knielangen, weißen Mantel trug und sonst bloß eine schlichte, blaue Hose. Barfuß kam der aus dem Drachen gekommene Mann näher und als er nah genug war, strich er sich zwei blonde Strähnen aus seinem Gesicht, lächelte kurz und streckte sein Hände gen Himmel, dabei nach oben blickend.
"Shedem wa Berovia" sagte er, woraufhin der Mann mit der Glatze "und Friede im Herz des Weltstop" antwortete.
Der Mann mit dem weißen Mantel sah kurz verblüfft, aber dennoch erfreut in die Augen des glatzigen Mannes, bevor er seine Hände freudig rieb und sagte "Du sprichst also meine Sprache?".
"Ein bisschen habe ich von anderen Illusionen gelernt, Drachenmann" antwortete die Glatze und blickte in Richtung des Drachen. "Braucht es Wasser?" fragte er.
Kopfschüttelnd verneinte der andere Mann und bedankte sich mit einer kleinen, höflichen Verbeugung.
Als er wieder aufrecht stand, sah er den Mann mit der Glatze freudig in die Augen und stellte sich vor "Mein Name ist Sharem, vom Volk der..."
"Das ist nicht nötig" antwortete die Glatze.
"Oh?" stoppte Sharem seinen Satz verduzt.
"Ja" nickte der Mann, "es ist uns gewiss, dass es außer Arú nichts weiter gibt. Der Weltstop unter uns, ist das, was es schon aussagt. Das Ende der Welt. Ein Stop der Welt und des Seins, somit auch allen Lebens. Alles was von unten kommt, ist somit bloß eine Illusion. Mein Name ist übrigens Pacal, und ich bin hier, um mit dir zu verhandeln, Drachenmann".
Sharem versuchte, nicht allzu verduzt zu blicken, als er das gerade gesagte noch einmal Revue passieren ließ, schien es Pacal.
"Moooooohhhooooooment Mal" verteidigte Sharem armwedelnd seine eigene Existenz "ich soll bloß eine Illusion sein?".
Pacal nickte. "Ja, Drachenmann."
Daraufhin beugte sich Sharem nach unten und suchte den Boden unter ihm ab. Schließlich wurde er im satten Grün fündig und nahm einen nicht zu kleinen und auch nicht zu großen Stein vom Boden auf. Er wog ihn kurz in seiner Hand, um noch einmal sicher zu gehen, Pacal nicht damit verletzen zu können, und warf den Stein dann auf Pacal.
Zu seinem Entsetzen gab die Physik Sharem eine Ohrfeige, als der Stein glatt durch Pacals Oberkörper hindurchsauste und Pacal mit einem Gesichtsausdruck dastand, der zu sagen schien "Hab ich's doch gesagt".
Sharem stand derweil mit offenen Mund da und versuchte, alle seine Sinne wieder unter einem Hut zu bringen. Als er Pacal schließlich von oben bis unten musterte, angefangen von seinem glatzigen, weißen Kopf, weitergehend zu seinen sanften braunen Augen und den schmalen Lippen, bis hinunter zum Oberkörper Pacals, der Oben-Ohne rumlief und um seine Beine ein einziges blaues Tuch zu einer Röhre gebunden hatte, die seine Beine umgab. Dieses wurde von einem großen Symbol geziert, einem gelben Kreis, bei dem der Mittelpunkt eingezeichnet war.
Nichts deutete bei Pacal daraufhin, dass ein Stein einfach durch ihn hindurchsausen konnte. Und doch war es passiert.
Sharem schüttelte kurz den Kopf und sah verwirrt zu Pacal, der ihn nun anlächelte.
"Aber wie...?" begann Sharem, als Pacal bereits abwinkte.
"Lass deinen Drachen hier zu Ruhe kommen, Drachenmann" versuchte er Sharem zu beruhigen "und lass uns in den Tempel gehen, um zu verhandeln."
"Verhandeln?" brachte Sharem zwischen seinen Lippen hervor.
"Ja, verhandeln. Jede Illusion will das." antwortete ihm Pacal und ging voran Richtung Arú.

Krake

Das Meeresfrüchtchen

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