Illusionen

Das Dorf Arú war schon seit Generationen als Ort des Handels bekannt.
Das es sich durch den steten Strom an Besuchern und den großen Warenwechsel innerhalb von Arú trotzdem nicht in eine größere Stadt entwickeln konnte, lag an der ungewöhnlichen Lage Arús.
Arú war umgeben vom Himmelsmeer und war auf einem Kontinent gegründet worden, der mehrere Kilometer über dem Boden schwebte. Wieviele Kilometer genau wusste niemand der in Arú wohnte und die Besucher, die Weltstopillusionen, schwiegen sich über diese Tatsache aus. Diese Tatsache störte die Bewohner von Arú nicht. Sicher war, dass man von hier aus den Boden nicht sehen konnte. Soweit das Auge reichte sah man unter Arú ein scheinbar endloses Wolkenmeer und richtete man seinen Blick gen Himmel sah man langsam ins Schwarze übergehende Blau. Dies war der Anblick unter Tage. In der Nacht konnte man bis weit in das Weltmeer sehen und viele Sterne erkennen, da die Sicht nicht von Wolken blockiert werden konnte.
Sehr viel bewegen konnten sich die Menschen auf ihrem schwebendem Kontinent Coatlicue nicht, da dieser einen maximalen Durchmesser von 48 Kilometern aufwies. Der minimale Durchmesser dieses ungleichförmig geformten, schwebenden Stück Lands belief sich auf 15 km.
In einer Entfernung von nur 2 Kilometer zu Arú lag der Ankunftspunkt der Besucher aus Weltstop, wie die Bewohner von Arú den ihnen unbekannten Ort unterhalb der Wolkendecke, aus dem die Händler nach Arú kamen, nannten.
Heute, an diesem makellos sonnigen Huizilopochtlitag, peitschten mittelstarke Windwellen über die Wiesen- und Graslandschaften rings um die Landebahn für die aus Weltstop ankommenden Fahrzeuge.
Ein gerade landender, glänzender Drache musste gegen den Wind ankämpfen. Die spiegelglatte Oberfläche des Drachen reflektierte die Sonnenstrahlen mannigfaltig und zersplitterte hier und da das Sonnenlicht in das Farbspektrum. Kleinere Feuersäulen, die mit lautem Zischen abwechselnd aus Öffnungen des Drachen abgegeben wurde, drückten ihn gegen den Wind in die gewünschte Position und hinterließen bei der in der Nähe stehenden Person ein warmes Kribbeln auf dem bloßen Oberkörper.
Die Person, die den landenden Drachen beobachtete, wusste genau, dass dies nicht ein wirklicher Drache war. Kein Drache hatte solch glänzende Schuppen, keiner konnte Feuer aus mehreren Körperöffnungen ausstoßen und keiner von ihnen war so seltsam gewachsen, wie dieser hier.
Drache oder nicht.
Es war von Weltstop nach Coatlicue gekrochen, dabei durch die Erdwinde gewatet und enthielt in seinem Bauch Gegenstände und Wohlstand, die es mithilfe von Illusionen nach Arú brachte.
Als der gerade landende Drache aufsetzte und alle Organe abgeschaltet hatte, ging der wartende Mann zielstrebig auf den Drachen zu und wartete in seiner Nähe, bis sich dessen Bauch öffnen würde. Er fuhr sich mit einem leicht feuchten Tuch über seine Glatze, von der langsam Schweißperlen gen Nacken kullerten.
Schließlich öffnete sich der Bauch des Drachen und gab einen Mann frei, der trotz der Hitze des heutigen Tages einen knielangen, weißen Mantel trug und sonst bloß eine schlichte, blaue Hose. Barfuß kam der aus dem Drachen gekommene Mann näher und als er nah genug war, strich er sich zwei blonde Strähnen aus seinem Gesicht, lächelte kurz und streckte sein Hände gen Himmel, dabei nach oben blickend.
"Shedem wa Berovia" sagte er, woraufhin der Mann mit der Glatze "und Friede im Herz des Weltstop" antwortete.
Der Mann mit dem weißen Mantel sah kurz verblüfft, aber dennoch erfreut in die Augen des glatzigen Mannes, bevor er seine Hände freudig rieb und sagte "Du sprichst also meine Sprache?".
"Ein bisschen habe ich von anderen Illusionen gelernt, Drachenmann" antwortete die Glatze und blickte in Richtung des Drachen. "Braucht es Wasser?" fragte er.
Kopfschüttelnd verneinte der andere Mann und bedankte sich mit einer kleinen, höflichen Verbeugung.
Als er wieder aufrecht stand, sah er den Mann mit der Glatze freudig in die Augen und stellte sich vor "Mein Name ist Sharem, vom Volk der..."
"Das ist nicht nötig" antwortete die Glatze.
"Oh?" stoppte Sharem seinen Satz verduzt.
"Ja" nickte der Mann, "es ist uns gewiss, dass es außer Arú nichts weiter gibt. Der Weltstop unter uns, ist das, was es schon aussagt. Das Ende der Welt. Ein Stop der Welt und des Seins, somit auch allen Lebens. Alles was von unten kommt, ist somit bloß eine Illusion. Mein Name ist übrigens Pacal, und ich bin hier, um mit dir zu verhandeln, Drachenmann".
Sharem versuchte, nicht allzu verduzt zu blicken, als er das gerade gesagte noch einmal Revue passieren ließ, schien es Pacal.
"Moooooohhhooooooment Mal" verteidigte Sharem armwedelnd seine eigene Existenz "ich soll bloß eine Illusion sein?".
Pacal nickte. "Ja, Drachenmann."
Daraufhin beugte sich Sharem nach unten und suchte den Boden unter ihm ab. Schließlich wurde er im satten Grün fündig und nahm einen nicht zu kleinen und auch nicht zu großen Stein vom Boden auf. Er wog ihn kurz in seiner Hand, um noch einmal sicher zu gehen, Pacal nicht damit verletzen zu können, und warf den Stein dann auf Pacal.
Zu seinem Entsetzen gab die Physik Sharem eine Ohrfeige, als der Stein glatt durch Pacals Oberkörper hindurchsauste und Pacal mit einem Gesichtsausdruck dastand, der zu sagen schien "Hab ich's doch gesagt".
Sharem stand derweil mit offenen Mund da und versuchte, alle seine Sinne wieder unter einem Hut zu bringen. Als er Pacal schließlich von oben bis unten musterte, angefangen von seinem glatzigen, weißen Kopf, weitergehend zu seinen sanften braunen Augen und den schmalen Lippen, bis hinunter zum Oberkörper Pacals, der Oben-Ohne rumlief und um seine Beine ein einziges blaues Tuch zu einer Röhre gebunden hatte, die seine Beine umgab. Dieses wurde von einem großen Symbol geziert, einem gelben Kreis, bei dem der Mittelpunkt eingezeichnet war.
Nichts deutete bei Pacal daraufhin, dass ein Stein einfach durch ihn hindurchsausen konnte. Und doch war es passiert.
Sharem schüttelte kurz den Kopf und sah verwirrt zu Pacal, der ihn nun anlächelte.
"Aber wie...?" begann Sharem, als Pacal bereits abwinkte.
"Lass deinen Drachen hier zu Ruhe kommen, Drachenmann" versuchte er Sharem zu beruhigen "und lass uns in den Tempel gehen, um zu verhandeln."
"Verhandeln?" brachte Sharem zwischen seinen Lippen hervor.
"Ja, verhandeln. Jede Illusion will das." antwortete ihm Pacal und ging voran Richtung Arú.

Krake

Das Meeresfrüchtchen

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