Intercity - Maribor/Ljubljana

Montag, 20. November,
7:41 Uhr


Der Intercity-Zug donnerte 10 Meter über den Boden schwebend mit einer Geschwindigkeit von 950 km/h über Grasflächen dahin.
Ljiljana mussten jeden Morgen diesen Zug nehmen, um von ihrer Heimatstadt Maribor in die Stadt Ljubljana zu kommen, in der ihr Arbeitgeber Hyperion Technologys ihren Sitze hatten.
Hyperion Technologys wurde vor rund 30 Jahren gegründet und spezialisierte sich zuerst auf biotechnologische Prozessoren für den Einsatz in Waffensystem und Raumschifftechnik. Rasch hatte sich die Firma einen Namen gemacht durch die exzellente Qualität der abgelieferten Ware und wenige Jahre nach Gründung der Firma wurden zwei große Werkshallen angebaut. Die Firma spezialisierte sich ab nun auf die Entwicklung eigener Raumschiffsystem. Diese umfassten Antriebssysteme, Lebenserhaltung, Energiekonzepte, Interstellare Navigation, Waffensysteme und viele weitere vitale Funktionen eines Raumschiffes, die Hyperion Technologys oft revolutionierten. Die ungewohnt offene und experimentierfreudige Herangehensweise des Unternehmens an Problemstellungen kosteten zwar einige Mal vielen Mitarbeitern die Nerven und endeten in hoffnunglosen Projekten, führten aber dennoch gelegentlich zu erstaunlichen Ergebnissen, die gern gesehen wurden von der U.E. Civil Space Travel Agency und meist noch viel mehr Aufmerksamkeit erhielt von den U.E. Military Space Forces.
Die Hovertechnik, ein auf rotierendem Magnetfeldern basierendes Gravitationssystem, dass der Gravitation der Erde ein eigenes Gravitationsfeld entgegensetzte, verschaffte dem Intercity-Zug enorme Vorteile gegenüber schienengebundenen Systemen des späten 22. Jahrhundert, die zu dieser Zeitperiode langsam ein Auslaufmodell wurden. Der Entwickler des Hoversystems, Jean-Paul Menoire, verdiente sich eine reiche Nase damit und kam ironischerweise bei einem Unfall mit einem Hoverauto ums Leben, bei dem der Hoverantrieb versagte und das Auto gegen eine Betonwand raste.
Nichtsdestotrotz wurde das System weiterhin verbessert und gehörte in der Erdtechnik des 27. Jahrhunderts zum Standard.
Der metallen-weiß Strahlende Zug, der in der Mitte Blau und im unteren Drittel Rot gestrichen war, der Flagge Sloweniens entsprechend, bot Platz für 1.388 Passagiere und beförderte so pro Tag an die 200.000 Leute von Maribor-Ljubljana nach Ljubljana-Maribor. Die Unterseite des Zuges leuchtete einerseits Blau durch die großen, oval geformten Hoveraggregate, das sich auf der grünen Wiese spiegelte und das Gras in ein diffuses Blaulicht tauchte, als auch auf zwei schmalen Streifen grün, der eigentlich Antrieb des Zuges, der Uriel-Differentialpotentialmotor.
Ljiljana hatte sich einen Fensterplatz auf der linke Seite des Zuges ergattert und beobachtete noch leicht müde braune Flecken die rasend schnell verbeihuschten und vermutlich Kühe waren. Sie sah Bäume, besser erkenntlich als grüne, größere Flecken und konnte den Fluss Save, der durch Ljubljana floss, bereits von Fernen schimmern sehen.
Auf die Gefahr hin, dass die Person neben ihr Konversation beginnen konnte, was sie hasste während einer Zugfahrt, versuchte sie so konzentriert wie nur möglich ein Buch über einen Detektiv in Neu Delhi zu lesen, doch ein nervendes und laut herumschreiendes Kleinkind zerstörte jeden Versuch der Konzentration hoffnungslos.
Wütend klappte sie das Buch zu und warf ihrem Sitznachbarn einen Blick zu, der zu sagen schien: „Sprich mich an und trag die Konsequenzen“. Scheinbar wirkte es, als dieser sich wegdrehte und sich scheinbar unauffällig nach einem anderen freien Sitzplatz umsah.
Ljiljana lehnte sich zurück und schloß die Augen.
In freudiger Erwartung des heutigen Tages ging sie geistig alle Dokumente durch, die sie über die Endevion gestern noch auftreiben konnte und kontrollierte noch einmal ihren Wunschplan, wie sie die Trümmerteile untersuchen würde. Eine erste, rein visuelle menschliche Beobachtung war Pflicht, um überhaupt mal einen Blick für die Situation zu bekommen. Schließlich nervte das Kind nun auch so sehr mit seinen Schreien, dass Ljiljana langsam richtig wütend die Augen aufriss und bereits aufstehen wollte, um mit der Mutter einige Takte über drakonische Erziehungsmaßnahmen wie Persönlichkeitsänderung zu philosophieren.
Bevor ihre Beine reagieren konnte, fiel ihr jedoch auf, dass mehrere Leute aufgeregt zu schreien und rufen anfingen und entsetzte und verwirrte Blicke auf die Linke Seite des Zuges gerichtet wurden.
Ljiljana drehte ihren Kopf und blickte aus dem Fenster.
Sie verschluckte sich fast, als sie in ungefähr 300 Meter Entfernung von der linke Seite des Zuges ein Raumschiff fliegen sah. Eigentlich nichts so Ungewöhnliches, da Raumschiffe natürlich auch einmal landen mussten und vielleicht handelte es sich hier um eine Notlandung.
Doch das, was alle Personen so aufregte, war die Tatsache, dass es sich um kein U.E. Raumschiff handelte.
Es war ein unbekanntes Raumschiff.
Ljiljana wollte nichts überstürzen mit Mutmaßungen, doch sie als Raumschiffexpertin kannte fast alle Modelle von von Menschenhand errichteten Raumfahrzeugen und dies gehört eindeutig nicht dazu. Ihr Gehirn wollte dagegen rebellieren, als sich ihr der Schluss aufdrängte, es müsse sich hier um ein Raumschiff einer außerirdischen Zivilisation handeln.
Eine außerirdische Zivilisation!
Die Erde hatte bis jetzt, jedenfalls offiziell, noch keine Kontakt mit Außerirdischen gehabt, ja nicht einmal außerirdische Baktieren oder Mikroorganismen gefunden, obwohl bereits viele bewohnbare Planeten bekannt waren. Jeder sehnte sich langsam insgeheim nach Kontakt, nach einer Bestätigung nicht allein zu sein in diesem riesigen Universum. Man malte sich bereits aus, zu welchen politischen und sozialen Umstellung dies führen könnte und nun schwebte ein vermeintlicher Beweis, ein unglaubliches mit Worten nicht erklärbares Ereignis der Geschichte der Welt, direkt vor Ljiljanas Augen.
Die Freude wehrte kurze, als ein heller Lichtpunkt rasend schnell das fremde Raumschiff Richtung Intercity-Zug verließ und eine heftig Erschütterung Ljiljana gegen die Decke der Kabine schleuderte.
Benommen griff sie sich auf den Kopf und fand Blut auf ihren Händen wieder. In ihren Ohren dröhnt es, so, als wäre sie unter Wasser und sie hoffte inständig, dass dies nicht von Blut in ihren Ohren käme. Das wäre eine Katastrophe gewesen.
Zwar konnte sie nichts genau erkennen, da sich langsam stechende Kopfschmerzen breit machten und Rauch den Zug füllte, der ihre Augen scharf tränen ließ, doch sie war sich sicher, dass es bereits einige andere Verletzte und Tote gab, als der Zug zu schlingern anfing und langsam an Höhe verlor.
Ein Mann schritt plötzlich in dem Gang neben sie und streckte eine Hand aus.
Glücklich über die Rettung streckte auch Ljiljana ihre Hand entgegen und musste dann erkennen, dass der Mann ein seltsames Gerät auf sie hielt, gepaart mit einem kühlen Blick in den Augen.
Erschrocken wich Ljiljana zurück aus Angst, es könne sich um eine unbekannte Waffen handeln und schrie aus voller Kraft, als der vordere Teil des Zuges auf dem Boden aufprallte und sich der Rest des Zuges wie mit einem Peitscheneffekt in die Höhe bohrte, den Mann hart gegen die Decke schleudernd. Ljiljana hatte sich zum Glück aus Angst vor einer Schusswunde in den Sitz gekrallt. Ihre Finger schmerzten zwar und ihr waren einige Nägel abgebrochen, doch sie saß noch immer fest im Sessel, dessen Stoffbezüge nun eine ordentliche Überholung brauchen würden.
Durch ihren Kopf schoss ein Gedanke: Fluchtkapseln.
Diese gab es in jedem Waggon und sie dienten dazu, die Passagiere im Falle eines Notfalls sicher auf die Erde zu bringen. Nun, ein fremdes Raumschiff dass den Intercity beschießt würde wohl als Grund genug gelten, die Sicherheitsysteme des Zuges zu Rate zu ziehen.
Vorsichtig stand sie auf, da die Kabine bereits stark zu neigen begann, und schritt über die Leiche des Mannes, so vermutete Ljiljana, da er sich nicht mehr rühte, stockte jedoch kurz, als sie genauer hinsah.
Das Blut des Mannes war gelb.
Gelb!
Was zur Hölle...
In dieser Sekunde ließ eine Explosionswelle die Fenster der linken Zugseite bersten und Ljiljana ging zu Boden, der bereits so steil war, dass sie nach vorne zu purzlen begann, bevor sie sich an einem Stuhl festhalten konnte. Als sie sich wieder aufrappelte, schoss ihr schwefeliger Geruch in die Nase und eine enorme Hitzewelle traf ihr Gesicht.
Außerhalb des Zuges erkannte sie einen Feuerball, der rasch zu Boden ging und die offensichtlichen Konturen eines U.E. Raumschiffes.
Die Erde reagierte wohl endlich auf diesen Angriff dachte sie sich, als sie die Bodenmarkierungen beobachtete und ihnen bis zu einer Fluchtkapsel folgte, die zum Glück noch heil war.
Sie warf sich rasch in die Kapsel und drückte einen großen, rot leuchtenden Knopf, der sie daraufhin mit 3G, der dreifachen Anziehungskraft, gegen den Sessel der Kapsel pressete, weg vom brennenden Zug, dessen Spitze sich bereits in die Erde gebohrt hatte, wie ein Strohhalm in Pudding.
Die Kapsel taumelte im Wind und breitete rasch ihre Fallschirme aus. Soviel bekam Ljiljana noch mit, bevor sie ihn Ohnmacht fiel.

Krake

Das Meeresfrüchtchen

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